Die Namensänderung in „DAHAG“ und das neue Logo sollen die digitale Ausrichtung des Unternehmens unterstreichen, die wir bereits seit vielen Jahren verfolgen.
Doch wie soll die weitere digitale Zukunft eigentlich konkret aussehen? Unstrittig ist: Die Endkunden erwarten von ihrer Rechtsschutzversicherung, von ihrem Anwalt oder von sonstigen Akteuren wie Legal Techs – durch die Corona-Krise noch verstärkt – einfache und schnelle Lösungswege für ihre Rechtsprobleme.
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Johannes Goth – Vorstand Deutsche Anwaltshotline AG / DAHAG Rechtsservices AG
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Die telefonische Rechtsberatung war und ist ein bewährter, einfacher und schneller Lösungsweg, der durch Corona nochmals einen enormen Nachfrageschub erfährt. Die Telefonberatung wird daher auch in der Zukunft den Schwerpunkt der DAHAG darstellen.
Doch auch ein so traditionelles, erfolgreiches „analoges“ Medium wie die Telefonberatung birgt durch die Digitalisierung noch ungeahnte Potentiale.
Call-Annahme durch digitalen Sprach-Assistenten
Das beginnt schon bei der Annahme eines neuen Beratungstelefonats durch den Anwalt. Die ersten ein bis zwei Minuten vergehen da schon gern mal nur mit der Aufnahme der Versicherungsnummer, des Namens und der Abklärung des Rechtsgebietes. In Zeiten knapper Anwaltsressourcen ist dieser Teil des Telefonats alles andere als effizient.
Die DAHAG beschäftigt sich daher bereits seit zwei Jahren mit KI-Prototypen, die als digitale Sprach-Assistenten den Anrufer in einer natürlichen Live-Kommunikation empfangen, die relevanten Basis-Informationen abfragen und erfassen, und automatisch an den passenden „Fach“-Anwalt verbinden. Der Anwalt findet dann in seiner Online-Maske die relevanten Kunden-Infos bereits vor und kann sofort in die Rechtsberatung einsteigen. Für die KI-Anwendung und die Spracherkennung verwenden wir dabei übrigens keine datenschutzrechtlich bedenklichen Cloud-Angebote, sondern ausschließlich eigene lokale Server.
Ein digitaler Telefon-Assistent würde den Kundenservice und die Annahmequote verbessern, eine bessere Anwaltsauslastung und damit eine höhere Call-Kapazität ermöglichen und die Arbeit der Anwälte auf die Rechtsberatung fokussieren. Wir gehen davon aus, dass wir 2021 einen ersten Live-Piloten mit unserem digitalen Assistenten durchführen werden.
Das „Nirwana-Problem“
Claimsfishing, Massenschäden und die Corona-Fälle einhergehend mit Fachkräftemangel bei den Sachbearbeitern stellen erhebliche strukturelle Belastungsfaktoren für die Rechtsschutzbranche dar. Im Bereich „Schaden“ bahnen sich sowohl bei den Aufwendungen als auch bei den internen Ressourcen erhebliche Herausforderungen an.
Das Heilmittel: Steuerung! Diese Medizin ist keineswegs neu. Es wird seit Jahren bereits gesteuert, was möglich ist. Das aktuell „Mögliche“ ist allerdings in Summe noch nicht wirklich viel – bzw. noch immer viel zu wenig. Bei „Kanzleischäden“ dürfte die Steuerungsquote branchenweit nur bei gut 20% liegen.
Dabei ist das Einsparpotential bei gesteuerten Schäden gigantisch.
Die große Herausforderung: Wie gelingt es, die geschätzt 15-30% Kanzleischäden, die potentiell in der Telefonberatung stecken, in die richtigen Kanäle zu steuern, ohne fast jede Telefonberatung präventiv gleich zum Zentralmandat oder zum Kanzleimandat zu machen?
Die Schwierigkeit dabei: In der Regel werden dem VN in der Telefonberatung vom Anwalt zunächst die Schritte zur Selbstlösung seines Problems aufgezeigt. Das ist von den RSV und vom Kunden so gewollt – und es klappt in der Mehrzahl der Fälle auch hervorragend. Die Selbsterledigungsquote ist erfreulich hoch.
Aber dort wo es nicht klappt, wo der Vermieter sich dann doch stur stellt – wie kommt man dort an den Kunden wieder heran? Der Kunde verschwindet ja nach einer Telefonberatung quasi wieder im „Nirwana“. Wie kann man also eine situationsbezogene Steuerung zwei, drei oder 14 Tage nach der Telefonberatung herbeiführen, ohne den Moment des Bedürfniseintritts vorher zu kennen?
Follow Up-Service (nach Telefonberatung)
Wir entwickeln dazu gerade einen digitalen „Follow Up-Service“. Der Kunde erhält damit nach der Telefonberatung automatisch oder fallbezogen über unser neues IT-System auf sein Smartphone eine SMS mit einem Link. Über diesen Link kann der VN dann bequem seine RSV oder den Dienstleister kontaktieren, wenn er weitere Hilfe benötigt. Dabei kann durch individuell generierte Links pro VN eine zielgerichtete Steuerung ermöglicht werden. Wenn die Telefonberatung zu einem vermuteten Geschwindigkeitsverstoß etwa noch vor Zugang des Anhörungsbogens erfolgte („Ich bin vorhin mit 40 drüber geblitzt worden. Was droht mir denn da?“), kann der individuelle Link den VN dann nach Zugang des Bescheids direkt in eine ZMB führen. Geblitzt.de & Co wären so aus dem Spiel.
Dieser Service könnte die Steuerungszahlen nach der Telefonberatung um ein Mehrfaches steigern – und würde dabei präventive (Fehl)Steuerungen zu teuren Kanzleimandaten vermeiden, da nur diejenigen VN den Follow Up-Service nutzen werden, die tatsächlich Hilfe benötigen.
Die Entwicklung der IT-Systeme für den Follow Up-Service wurde von uns bereits Mitte 2019 begonnen und ist nun weit vorangeschritten. Wir gehen davon aus, dass wir im ersten Halbjahr 2021 die ersten Live-Tests zur Ermittlung der Akzeptanz durch die VN von Follow Up-Angeboten und die Ermittlung der Steuerungseffekte in der Praxis durchführen werden.
Durchgängige Steuerungsketten: Von der Telefonberatung bis zum Gericht
Zumindest ein Gutes hat die Corona-Krise. Die Bevölkerung erfährt, dass viele Dinge nicht mehr mit Präsenzbesuchen erledigt werden müssen. Sei es die Krankschreibung beim Arzt, die Teilnahme an Meetings – oder eben die Lösung von Rechtsproblemen. Die Akzeptanz für die Mandatierung einer „virtuellen“ Zentralkanzlei und die sich daraus ergebende Kommunikation per Telefon, Chat und digitaler Akte mit dem Anwalt dürfte enorm gestiegen sein.
Damit gewinnen durchgängige Steuerungsketten von der Telefonberatung über ZMB/Shuttle-Mediation bis hin zur bedarfsweisen gerichtlichen Vertretung durch eine digitale Zentralkanzlei an Bedeutung. Die Relevanz von herkömmlichen Kanzlei-Netzen und Partnerkanzleien dürfte im Gegenzug eher zurückgehen, da diese kaum in durchgängige digitale Steuerungsketten einzubinden sind und auch weniger Kostenvorteile und Servicevorteile bieten.
Die DAHAG hat seit September bereits ein Steuerungs-Testfeld mit einem Rechtsschutz-Partner und einer externen Zentralkanzlei organisiert, dessen erste Eindrücke sehr positiv sind.
Wir sichten den Markt parallel nach weiteren potentiellen Zentralkanzlei-Partnern und haben letztes Jahr auch die Gründung einer „Inhouse-Zentralkanzlei“ unterstützt, die gerade die ersten Mandate annimmt.
Die Einbindung von digitalen, leistungsfähigen Zentralkanzleien dürfte sowohl im Alltags-Schadengeschäft als auch bei Massen- und Sonderschäden wie Dieselgate zukünftig erhebliche Bedeutung haben. Wir als DAHAG werden unseren Rechtsschutzpartnern in naher Zukunft nun auch dazu Lösungen von A-Z aus einer Hand anbieten können.
Fazit
Die gute alte Telefonberatung hat sowohl von ihren internen Prozessen also auch als Startrampe für vielfältige Steuerungsoptionen eine enorme Zukunftsperspektive für die Rechtsschutzversicherer. Das Schöne daran: Die Anbindung und die Strukturen für Telefonberatung und Steuerung sind bereits vorhanden! Sie werden von uns gemeinsam mit den Rechtsschützern nur immer mehr digitalisiert, verbessert und erweitert.
Wir werden also auch als „DAHAG“ 2021 und darüber hinaus all unsere Energie und unsere Erfahrung dafür einsetzen, gemeinsam mit unseren Rechtsschutz-Partnern die enormen Potentiale zu heben.