Schon 2021 und erst recht 2022 wird sich die RVG-Erhöhung voll auf die Schadenkosten durchschlagen. Und wie bei den bisherigen RVG bzw. BRAGO-Erhöhungen der letzten 20 Jahre hat sich wieder eines gezeigt – das einzige schnell wirksame Gegenmittel ist: verstärkte Steuerung!


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Johannes Goth – Vorstand DAHAG Rechtsservices AG
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In den früheren BRAGO/RVG-Runden wurde erst die Telefonberatung eingeführt, dann Kanzleinetze samt Gebührenvereinbarungen sowie Shuttle-Mediation und die ZMB. In all diese damals geschaffenen Kanäle wird nun 2021 verstärkt gesteuert. Neu im Köcher ist jetzt das Steuerungsziel „Zentralkanzlei“ – wie zum Beispiel rightmart. Diese können auch mit teuren und komplizierten Schäden sehr gut umgehen. Begünstigt werden die aktuellen Steuerungsbemühungen durch ein „dank“ Corona verändertes Kundenverhalten. Viele Versicherungsnehmer wenden sich seit letztem Jahr vermehrt direkt telefonisch und online an ihre RSV.

Telefonische Schadenmeldungen steigen – aber…

Das schlägt sich in erfreulich steigenden Schadenerstmeldequoten nieder. Die Erfolgsmeldungen von Meldequoten über 50 Prozent von einigen Häusern sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Denn oft stecken in den beeindruckenden und auch tatsächlich wachsenden Melde-Schäden auch die Telefonberatungen. Die telefonische Rechtsberatung ist ohne Zweifel eine der effektivsten und günstigsten Methoden der Schadensteuerung. Und natürlich kann aus nicht-fallabschließenden Telefonberatungen sehr gut in weitere Kanäle wie Mediation, ZMB oder Zentralkanzlei gesteuert werden. Aber ein telefonisch gemeldeter Schaden heißt leider noch lange nicht, dass der VN nicht am Ende doch beim Fremdanwalt landet.

Denn zieht man die Telefonberatungen von der Gesamtschadenstückzahl ab, dann sieht man, dass nur rund 3 bis 5 Prozent aller „echten Kanzleischäden“ erfolgreich gesteuert werden (wobei dies von RSV zu RSV gewiss stark variiert). Das bedeutet: Rund 95 Prozent der Kanzleischäden werden immer noch ungesteuert vom Anwalt gemeldet, dabei in immer höheren Anteilen von Claimsfishern. Und bei diesen betrifft es insbesondere die teuren Abgasschäden, OWIs und nunmehr auch PKV-Fälle.

Die erstaunlich niedrige Steuerungsquote von Kanzleischäden bei rund zwei Millionen Telefonberatungen pro Jahr (nicht alle RSV zählen eine TB dabei als Schaden) spricht zum einen für eine beeindruckend hohe finale Erledigungsquote der Telefonberatung, zum anderen scheint in den (zunächst) beendeten Telefonberatungen noch ein erhebliches Potential an später aufflammenden Kanzleischäden zu schlummern, welches offenbar bei Weitem noch nicht erschlossen ist.

Doch auch bei den telefonischen Neu-Schadenmeldungen in den Schadenstellen ist noch erhebliches Steuerungspotential zu vermuten. Aufgrund von Überlastung, Zeitmangel und manchmal vielleicht auch Bequemlichkeit wird statt eines zeitaufwendigen, komplizierten und manchmal anstrengenden Steuerungsgespräches dem VN oft einfach Deckung erteilt, auf die freie Anwaltswahl verwiesen – und schönen Tag noch! Das ist schnell und einfach und der VN ist damit (halbwegs) zufrieden. Aber es wird für die RSV meist in der Folge auch teuer. Dennoch sind diese Art von Telefonaten Alltag im Rechtsschutz.

Dabei ist den Sachbearbeitern nur bedingt ein Vorwurf zu machen. Denn eine immer höhere Anzahl an Telefonaten trifft auf einen immer enger werdenden Juristenmarkt. Und die Personalbudgets werden bei steigenden Schadenaufwendungen und höheren Einstiegsgehältern eher gekürzt als erhöht. Die verbliebene Mannschaft muss sich neben immer mehr Telefonaten allerdings um immer mehr schriftliche Schadenmeldungen der Claimsfisher kümmern. Die Deckungs- und Rechnungsprüfung dieser Schäden ist dabei besonders zeitaufwendig. Wie soll es dem Mitarbeiter da möglich sein, den VN freundlich, geduldig und passgenau in immer mehr geeignete Steuerungsziele zu steuern?

Wird der Traum zum Albtraum?

Damit scheint sich gerade eine paradoxe Situation zu entwickeln: Durch ein geändertes Kundenverhalten steigt die Schadenerstmeldequote rasant an. Der jahrelange Traum der RSV geht ein Stück weit in Erfüllung!

Der Traum könnte allerdings bald zum Albtraum werden, wenn diese Anrufflut nicht von einem erheblich aufgestockten Personalstamm aufgefangen und bestmöglich gesteuert werden kann. Und mit langen Warteschleifen sind die Kunden dann auch schnell auf Google und finden dort agile Kanzleien, die sich sofort um alles zu kümmern versprechen. Man stelle sich nur für einen Moment vor, was in den Schadenstellen passieren würde, wenn die telefonische Erstschadenmeldequote auch nur um 1/3 ansteigen würde. Es wäre (so) schlicht nicht zu schaffen.

Einzelne Häuser haben auf diese Entwicklung bereits reagiert und setzen im 1st Level (= telefonische Erstannahme des Rechtsschutz-Anrufers) bereits interne oder vermehrt auch externe Serviceeinheiten ein. Dabei telefonieren dort keine Juristen, sondern kommunikativ talentierte Menschen, die vor allem die Anliegen selektieren und (vor)steuern sollen. An dieser Stelle wird auch noch keine Deckungsprüfung vorgenommen, sondern meist nur geklärt, ob der Anrufer einen bestehenden Vertrag hat. Dann wird er direkt in die passenden Servicekanäle gesteuert.

Die Erfahrungen zeigen: Diese 1st Level Einheiten steuern deutlich effektiver, besser und günstiger als die meisten „klassischen“ Schadenstellen. Und diese wiederum werden vom mühseligen, ungeliebten Telefondienst weitgehend befreit und können sich der wertschöpfenden Deckungs- und Rechnungsprüfung widmen. Und sofern mit externen Dienstleistern gearbeitet wird, muss auch das Personalbudget nicht belastet werden.

DAHAG bietet 1st Level an

Nach vermehrten Interessenbekundungen aus der RSV-Branche wird auch die DAHAG ab Anfang 2022 die Dienstleistung „1st Level“ anbieten. Über jahrelange Erfahrungen im sehr ähnlich gestalteten 2nd Level verfügt die DAHAG bereits. Das Steuerungs-Team wurde im Hinblick auf den neuen Service bereits in den letzten Monaten um 20 Köpfe aufgestockt. Der genaue 1st Level Workflow und die Steuerungsziele können individuell von jeder RSV vorgegeben werden.

Auch technische Komponenten wie eine individuelle, steuerungsoptimierte IVR, der Einsatz von KI gestützten Sprach-Chatbots und die Bereitstellung von Messenger-Plattformen zur Kommunikation mit dem VN sind im Rahmen des DAHAG 1st Level geplant.

Kommen Sie bei Interesse für Ihr Unternehmen gern auf uns zu!

RVG-Erhöhung: Was wird die Antwort sein?

Ist der verstärkte Einsatz von 1st Level-Steuerung diesmal die Antwort der Branche auf die aktuelle RVG-Preisrunde? Das ist gut möglich, denn im 1st und 2nd Level stecken ein enormes und vor allem verfügbares Potential für die verstärkte Steuerung von teuren Kanzleischäden.

Gemeinsam können wir die steigenden telefonischen Meldezahlen in eine starke Steigerung der Steuerungszahlen umsetzen und so der RVG Erhöhung entgegen treten!

Kategorien: Rechtsschutz