Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist seit Ende Juni in Kraft. Für viele Unternehmen, auch für Rechtsschutzversicherungen, bedeutet das: Digitale Produkte und Dienstleistungen müssen künftig barrierefrei und für Kundinnen und Kunden mit Einschränkungen leichter zugänglich sein.

Betroffen ist auch die telefonische Rechtsberatung. Nach § 14 der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) müssen Telekommunikationsdienste, die Sprachkommunikation ermöglichen, zusätzlich eine Echtzeit-Textfunktion (RTT) bereitstellen – also eine Zweiwege-Echtzeittextfunktionalität unterstützen. Da die Kommunikation bei der Telefonischen Rechtsberatung lediglich akustisch erfolgt, wird das Ziel der Barrierefreiheit in der Dienstleistung nicht erreicht.


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Thomas Hermenau – Head of UX
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Dass das Thema keinesfalls rein theoretisch ist, zeigen erste Beschwerden, die Betroffene bei ihren Rechtsschutzversicherungen eingereicht haben. Dr. Jannis Konstas, Justiziar der DAHAG Rechtsservices AG, erläutert das genauer im Artikel „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Was ist für RSV zu tun und gibt es die barrierefreie telefonische Rechtsberatung?

Die Lösung: Chat Rechtsberatung

Mit einer textbasierten Chat-Rechtsberatung lassen sich die neuen Anforderungen effizient und zukunftssicher erfüllen. Im Gegensatz zu anderen digitalen Kommunikationswegen – zum Beispiel E-Mail – erfüllt diese Form der Beratung die Anforderungen an Synchronität und damit die RTT-Funktionalität am ehesten.

Die Chat-Rechtsberatung bietet anwaltliche Beratung in Echtzeit und ist dank schriftlicher Kommunikation und Screenreader-Unterstützung barrierefrei.

Die DAHAG hat bereits vor etwa 10 Jahren eine Chat-Rechtsberatung entwickelt und diese in den letzten Jahren stets optimiert. Bei einer internen Analyse des Usability-Teams Anfang des Jahres wurde aber klar: Auch hier muss nachjustiert werden, damit die Anwendung allen Anforderungen des neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes entspricht.

„Mehr als nur accessible“

Lediglich die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen war Naomi Lam, der verantwortlichen Entwicklerin des Rechtsberatungs-Chats allerdings nicht genug: „Mir reicht nicht, wenn eine Anwendung gerade so accessible ist. Ich will, dass Nutzer das Produkt auch wirklich einfach und ohne Schwierigkeiten nutzen können. Aber die tatsächliche Nutzbarkeit ist bisher deutschlandweit oder sogar darüber hinaus noch keine Messlatte.“

Ob wir unsere eigene gesetzte Messlatte erreicht haben und die Chat-Rechtsberatung der DAHAG nicht nur auf dem Papier, sondern auch wirklich erlebbar barrierefrei ist, wollten wir daher testen lassen.

Usability Testessen: Barrierefreiheit-Spezial

Im Oktober haben wir daher am Usability-Testessen des Berufsverbands für User Experience Professionals (German UPA) mit dem Schwerpunkt Barrierefreiheit teilgenommen. Alle sechs Testerinnen und Tester waren entweder stark sehbeeinträchtigt oder vollblind und brachten ihre ganz eigenen technischen Setups mit, mit denen sie auch in ihrem persönlichen Alltag und Berufsleben arbeiten.

Mehr über das Format „Usability Testessen“ können Sie im Artikel 20% mehr Online-Schadenmeldungen durch Pizza: Wie ist das möglich? nachlesen.

Die Setups reichten vom iPhone mit Apple-eigenem Screenreader „Voiceover“ über PC mit Bildschirmlupe bis hin zum Laptop mit angeschlossener Braillezeile.

So unterschiedlich die Setups auch waren, das Test-Szenario war für alle Tester:innen gleich. Sie sollten sich für die Chat-Rechtsberatung anmelden, ein fiktives Rechtsproblem schildern, mit dem „Anwalt“ chatten, ein Dokument hochladen und den Chat nach erfolgter Beratung abschließen – eben genauso, wie es Versicherungsnehmer tun.

Das Ergebnis: Der Rechtsberatungs-Chat war für alle Testpersonen gut nutzbar und niemand stieß auf eine Barriere.

Was aber nicht gleichzeitig heißt, dass wir keine Verbesserungspotenziale identifizieren konnten. So wurden zum Beispiel einige Features, die wir als hilfreich eingeschätzt hatten, von den Testpersonen als redundant wahrgenommen und eher übersprungen.

Aber es gab auch viel Lob – vor allem für die akustischen Signale für Vollblinde, die beispielsweise signalisieren, dass eine neue Chat-Nachricht eingegangen ist oder für den Dark Mode, der vor allem von den seheingeschränkten Testpersonen als Mehrwert wahrgenommen wurde.

„Für uns Entwickler gibt es tatsächlich über die Barrierefreiheit-Guidelines hinaus wenige Quellen dafür, wie zum Beispiel sehbeeinträchtigte Personen wirklich arbeiten und wie man ein Produkt für sie optimieren kann. Man muss sich stattdessen selbst sehr viele Gedanken machen und versuchen, sich in die Nutzer hineinzuversetzen. Daher war das Testessen ein echter Win, da ich mich hier direkt mit sechs Personen austauschen konnte, die von meinen Bemühungen betroffen sind.“, sagt Naomi Lam, „Das war einsame Klasse und ich denke, jeder Entwickler sollte die Erfahrung mal machen, Nutzern dabei zuzusehen, wie diese tatsächlich mit dem entwickelten Produkt arbeiten.“

Sie möchten in Ihrem Haus Chat-Rechtsberatung anbieten?

Der Chat ist nicht nur barrierefrei, sondern bietet außerdem noch folgende Funktionen:

  • Automatisches Erkennen des Rechtsgebiets anhand der Kundenanfrage und Matching mit passendem Anwalt
  • Datei-Upload möglich (z.B. Verträge, Rechnungen, Fotos)
  • VN erhält Chat-Verlauf im Anschluss an Beratung bequem per Mail
  • Auf Wunsch: Folgesteuerung in 2nd Level für Folgeservices

Die Einbindung ist einfach per Link (zum Beispiel über RSV-Website, Kundenportal oder App) möglich.

Die Chat-Rechtsberatung erfüllt damit nicht nur die gesetzlichen Vorgaben, sondern optimiert zugleich Ihre Prozesse und Wirtschaftlichkeit.

Kategorien: DAHAG Intern