Kommentar zu OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019 – 7 VA 12/19
Ausgangspunkt war ein Kreditwiderrufsfall, der erstinstanzlich mit einem (Lästigkeits-)Vergleich und einer Kostenquote von 90:10 zu Lasten des rechtsschutzversicherten Klägers endete.
Der Rechtsschutzversicherer begehrte Akteneinsicht in die Verfahrensakten.
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Dr. Jannis Konstas – Justiziar der Deutschen Anwaltshotline AG
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Wenn die Parteien damit nicht einverstanden sind, bedarf zur Akteneinsicht die Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses, § 299 ZPO.
Mögliche Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Prozessführung, die auf den Versicherer nach § 86 VVG übergangen sind, reichen zur Begründung eines rechtlichen Interesses aus.
Nicht erforderlich sind genaue Angaben des Rechtsschutzversicherers dazu, auf welche konkrete Art von Unregelmäßigkeit sich seine Untersuchung richtet, da sich aus der Struktur des § 86 VVG ergibt, dass es in der Sache nur um mögliche wirtschaftliche Schädigungen des Versicherungsnehmers gehen kann, die der Rechtsschutzversicherer im Rahmen seiner Deckung ausgeglichen hat.
Die Akteneinsicht wird nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt. Dabei ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der Parteien und dem Rechtsschutzversicherer vorzunehmen. Zugunsten des Rechtsschutzversicherers ist zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer bei der Durchsetzung etwaiger Vertragsansprüche mitzuwirken hat und daher grundsätzlich davon auszugehen ist, dass er im Verhältnis zu seinem Versicherer keine vorrangigen Geheimhaltungsinteressen geltend machen kann – zumal der Forderungsübergang nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG nicht zu seinem Nachteil geltend gemacht werden kann und er daher durch die Gewährung der Akteneinsicht keine persönlichen Nachteile zu befürchten hat. Auch eine pauschale Berufung auf das Bundesdatenschutzgesetz oder die Datenschutz-Grundverordnung begründet kein Interesse an einer Nichtgewährung der Akteneinsicht.
Das Gericht hebt hervor, dass die etwaigen Interessen des Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers keine Rolle spielen. § 299 ZPO dient nicht seinem Schutz.
Soweit es um die Überprüfung des Prozessverlaufs auf etwaige schadensersatzbegründende Pflichtverletzungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers geht, erfolgt die Akteneinsicht durch eine Auswertung der vollständigen gerichtlichen Prozessunterlagen. Der Versicherer muss nicht darlegen, welche Unterlagen er schon hat und welche fehlen oder warum er glaubt, einsehen zu sollen. Eine solche Vorgehensweise wäre evident inpraktikabel und würde vom Antragsteller Angaben verlangen, die er naturgemäß vor einer Akteneinsicht (noch) nicht machen kann.
Einsicht in die Prozessakte wird – zumindest nach meiner Erfahrung – selten durch Rechtsschutzversicherer genommen. Dies ist natürlich häufig auch der angespannten Personalsituation geschuldet. Eine umfangreiche Prozessakte zu revidieren kostet Zeit. Im Rahmen einer Regressprüfung stellt die Prozessakte aber ein solides Fundament zur Beurteilung etwaiger Ansprüche dar.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Betrugsbekämpfung kann das Akteneinsichtsrecht eine größere Bedeutung erlangen.
Die physische Akte selbst kann nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts eingesehen werden, was für Rechtsschutzversicherer praktisch nicht nutzbar ist. Aber die Akte wird im Regelfall an einen Rechtsanwalt übersandt, der eine Kopie fertigen kann.
Ab 01.01.2026 werden die Prozessakten elektronisch geführt. Dann wird die Akteneinsicht durch Bereitstellung des Abrufs gewährt, was die Nutzung dieses Rechts wesentlich erleichtern und verbilligen wird.