Vergleichsportale reißen, nicht nur in der Versicherungswirtschaft, die Vertriebsmacht zunehmend an sich. Als wäre dies nicht schlimm genug, beeinflusst die Möglichkeit, Tarife einfach vergleichen zu können, zunehmend die Tarifgestaltung: Das Wettrennen um die meisten grünen Häkchen im Tarifvergleich ist eröffnet! Wie können Sie das Heft wieder in die Hand nehmen?


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Tobias Baader – Leitung Web & Marketing
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Der Mythos vom rationalen Käufer

„Vergleichsportale sind nur was für Sparfüchse“ ist ein häufig bedientes Vorurteil aus dem Vertrieb. Die Aussage ist nicht falsch. Aufgrund ihres nahezu allgemeingültigen Kerns, dass niemand gerne Geld verschwendet, ist sie jedoch auch nicht sehr hilfreich, wenn es darum geht, Vertriebspotenziale zu identifizieren. Die Annahme, dass Kaufentscheidungen auf Vergleichsportalen rein preisdominant-rational getroffen werden, ist schlichtweg falsch. Die Kunden würden sonst immer den günstigsten Preis wählen – das tun sie jedoch nicht. Entscheidend ist das meist qualitative Leistungsverhältnis und schon ist die ach so einfache quantitative Sortierung nach dem Preis dahin.

Im Folgenden werde ich Ihnen die 6 wirkungsvollsten Verkaufstricks am Beispiel von Check24 vorstellen. Die Tricks basieren auf systematisch fehlerhaften Interpretationen der menschlichen Wahrnehmung, sogenannten kognitiven Verzerrungen. Richtig eingesetzt können sie die Kaufbereitschaft signifikant erhöhen.

1. Cheering: Den Kunden anfeuern

Was im Fußballstadion funktioniert, klappt auch beim Verkauf. Feuern Sie Ihren Kunden auf seiner Einkaufsreise an! Dies klappt besonders gut, wenn Sie einen durch den Kunden aktiv verursachten Zustand aufgreifen. Denn hier besteht für ihn bereits eine Relevanz. In diesem Beispiel von Check24 hatte der Kunde eine monatliche Zahlungsweise gewählt und wird angefeuert, zum jährlichen Bezahlzyklus zu wechseln.

Cheering

 

2. Kontrast-Effekt: Leichter entscheiden durch Vergleiche

Entscheidungen lassen sich durch Vergleiche leichter treffen. Die Vergleichsoption eignet sich besonders für Menschen, die noch gar nicht wissen, was sie wollen. Erst durch den Kontrast zu anderen Optionen entsteht ein innerer „Was ist mir lieber“- Dialog im Kunden, der zu einer Entscheidung führt. Machen Sie Ihren Kunden die Alternativen klar und sie werden sich entscheiden!

Kontrast-Effekt

 

3. Authority: Automatischer Gehorsam

Egal ob Herr Kaiser, Dr. Best, Boris Becker, TÜV-Siegel oder „Bekannt aus RTL“ – sobald wir etwas Bekanntes sehen, ist es wahrscheinlicher, dass eine Art automatischer Gehorsam ausgelöst wird. Bei Dr. Best ist es übrigens nicht die fiktive Person, sondern lediglich der weiße Arztkittel, der ein Bauchgefühl von „bekannt“ und „vertrauenswert“ auslöst. Es muss nicht immer eine Person sein: Auch ikonische Darstellungen wie Siegel erzeugen Autorität. Check24 nutzt sogar ein eigens vergebenes Siegel. Den meisten Kunden dürfte klar sein, dass diese Siegel qua fehlender externer Referenz wenig vertrauenswürdig sind und dennoch hinterlassen sie einen autoritären Eindruck. Welche Autorität empfiehlt Ihre Tarife?

Authority

 

4. Kontrolle: Selbst getroffene Entscheidungen sind wertvoller als andere

Wenn wir Arbeit und Mühe in etwas investieren, wird es in unseren Augen aufgewertet. Das bedeutet auch, dass wir uns von unserem Erarbeiteten schwerer trennen können. Ähnlich verhält es sich bei Entscheidungen, die unserer eigenen Kontrolle unterliegen. Selbst getroffene Entscheidungen sind gefühlt wertvoller als Entscheidungen anderer. Filterfunktionen wie bei Check24 übergeben die Kontrolle und Entscheidungsmacht an den Kunden. Einerseits bietet das den Vorteil einer individualisierten Ergebnisliste. Andererseits den Effekt, dass das Ergebnis vor allem Ergebnis der eigenen Entscheidung des Kunden ist. Dieses wertet er wertvoller als ein ihm fertig vorgesetztes Angebot.

Alle Versicherer haben Tarif-Baukästen. Geben Sie Ihren die Illusion der Kontrolle, damit der Tarif in seinen Augen wertvoller wird!

Illusion der Kontrolle

 

5. Herdeneffekt: „Ich will genau das, was er hatte“

Herdentier Mensch: „Andere tun es, also tue ich es auch.“ Wir orientieren uns am Verhalten anderer und richten unser Handeln unbewusst an Gruppenverhalten aus. Je unsicherer wir sind, desto wahrscheinlicher orientieren wir uns am Verhalten anderer. Seien Sie ehrlich: Angenommen Sie buchen online einen Mietwagen in Barcelona. Würden Sie den Anbieter mit 3 oder lieber den mit 300 Bewertungen anklicken? Ich bin sicher, dass Sie bereits eine riesige Menge Kunden haben, aber zeigen sie das auch deutlich genug?

Herdeneffekt

 

6. Social Proof: Von Kunde zu Kunde

Oft genutzt, oft unterschätzt: Kundenbewertungen und Co. sind eines der wirkungsvollsten Mittel, um Neukunden zu überzeugen, können aber bei negativen Kommentaren auch nach hinten losgehen. Anders als beim Herdeneffekt, bei dem die Masse zählt, ist die Qualität der Kundenmeinung ausschlaggebend: meist in Form von Sternen und Kommentaren. Kundenbewertungen sind herausfordernd, da sie ein authentisches Bild des Produkts oder der Dienstleistung im Guten wie im Schlechten widerspiegeln. Wenn Sie Interesse an einer nachhaltigen Kundenbindung haben, können Sie Bewertungen zur Qualitätssteigerung nutzen. Eines sollten Sie dabei nicht vergessen: Bleiben Sie echt – gefälschte Bewertungen sind tabu! Wie prominent sind die Bewertungen auf Ihrer Seite platziert?

Social proof

 

Fazit

Kunden sind auch nur Menschen und ein sehr menschliches Bedürfnis ist es, die Komplexität seiner Wahlmöglichkeit auf ein beherrschbares Maß zu reduzieren. Vertrauen spielt hierbei eine zentrale Rolle. Denn Vertrauen ist eine der am meisten angewandten Methoden, um Komplexität in Entscheidungssituationen zu reduzieren. Vergleichsportale bieten genau dieses Angebot der Komplexitätsreduktion und präsentieren sich durch ihre starke Markenpräsenz als vertrauenswürdige Instanz. Die 6 beschriebenen kognitiven Verzerrungen sind nur Beispiele für über 150 bekannte kognitive Verzerrungen, die in der Vermarktung verantwortungsvoll eingesetzt werden können und sollten. Noch immer ist der Versicherungsvermittler die Verkörperung des Vertrauens – denken Sie an Herrn Kaiser! Wir befinden uns allerdings mitten in einem Ausdifferenzierungsprozess der Vertriebskanäle. Online-Angebote werden die Offline-Makler nicht ersetzen, die Online-Akquise wird künftig jedoch ein großes Stück vom Kuchen abbekommen. Hier gilt es, sich von Vergleichsportalen nicht das Heft aus der Hand nehmen zu lassen. Darum gilt: Machen Sie Ihre konzerninternen Hausaufgaben in Sachen Konversionsoptimierung mit den hier beispielhaft skizzierten Methoden. Andernfalls kann es passieren, dass die neue, scharfe Vertriebskonkurrenz an Ihnen vorbeizieht.
 
Dank, Quellen und Weiterführendes:


Hier finden Sie den Artikel als PDF:
6 Tricks, die Sie von Check24 lernen können
 


Informationen über den Autor

Tobias Baader – Leitung Web & Marketing

Tobias Baader verkaufte 1999 seine erste selbst programmierte Website. Seit 2011 war er bei Publicis Pixelpark in der Beratung und Konzeption für Kommunikations- und E-Business-Lösungen tätig, unter anderem für BASF, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

In seiner Freizeit bringt Tobias Baader beim CoderDojo Nürnberg Kindern das Programmieren bei.

Seit 2015 ist er Abteilungsleiter für Web und Marketing bei der Deutschen Anwaltshotline AG.